Dekontextualisierung
The constant in change
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Medien

Am Anfang war Chemie, nochmals Chemie und sehr wenig Physik. Das heißt nichts anderes, als dass die Möglichkeiten Entfernungen zu überwinden noch sehr gering waren, denn in der chemischen Welt kommt es nur zu Wechselwirkungen, wenn die Reaktionspartner sich sehr nahe sind und Räume werden nur durch Diffusion überwunden, also durch ungerichtete Bewegung der Moleküle aufgrund ihrer thermischen Energie.
Um größere Distanzen zurücklegen zu können, braucht es Physik. Und Physik heißt am Anfang: größere Molekülgruppen müssen sich zusammenhängend bewegen und zwar in Wasser, dem Urmedium des Lebens. Physik in diesem Sinne drückte sich zaghaft in Zellhüllenstrukturen, Kanalproteinen und manchmal einfachen Cytoskeletten aus. Da die  Organismen (Archäen und Bakterien) sehr klein waren, mussten sie, wenn sie aus ihrem unmittelbaren Kontext heraus "wollten" um an neue Nahrung heranzukommen oder toxische Umgebungen zu verlassen einen aktiven Fortbewegungmechanismus entwickeln. Die ubiquitäre Lösung war das Flagellum: eine Proteinkette, die aus dem Bakterienkörper herausragt und von einem Motor in eine rotierende Bewegung versetzt wird. Von nun an konnte sich der Prokaryot aktiv durch das Medium bewegen. Ein gewaltiger Dekontextualisierungsschritt war damit getan.

Als mehrzellige Organismen auftauchten und schließlich Nerven und Muskeln entstanden, änderte sich auf der Mikroebene  nicht allzuviel. Denn auch die Depolarisierungswelle, die die Nervenzelle durchläuft und die Myosinaktivität im Muskel setzen im Mikroskopischen an. Sie können ihre Fernwirkung nur durch einen Dominoeffekt in einer relativ homogenen seriellen Nervenzellstruktur oder durch die Aufaddierung einer Unzahl kleiner Myosin-Aktin-Elemente in einer hierarchischen Muskelstruktur erzeugen.

Bei einer Dampfmaschine oder einem Verbrennungsmotor sieht das ganz anders aus. Hier wird Distanz durch vergleichsweise großräumige thermische, mehr oder weniger gerichtete Volumenausdehnungen erzeugt, der Raum also in einem Zug durchschritten. Auch die elektrische Leitung in einem Metalldraht ist eine makroskopische physikalische Operation.

Diese Unterscheidung ist zentral und ihren Folgewirkungen nicht zu unterschätzen. Sie ermöglicht das Verständnis der Dekontexualisierungsexplosion. Diese ist nämlich primär medialer Natur.

Definition: Medium(=mediales Sub-System) ist der Teil eines Systems, der an der Fernbeziehung beteiligt ist.

Es kann die Fortbewegung eines Inhaltes, wie Blut, Sauerstoff, Nährsubstanzen sein, aber auch die Fortbewegung des Organismus selber. Es kann aber auch der Transport von Information sein.  Das Gleis ist ebenso mediales Subsystem(MSS), wie das Rad, die Strahlturbine ebenso, wie die durchströmende Luft, das Licht ebenso, wie die Schrift und die Retina. 

Durch diese radikale Zusammenfassung im Begriff MSS fokussieren wir auf die Gesamtheit der in eine Übertragung einbezogenen Teile und wir universalieren den Begriff  so, dass er Ausgangspunkt und Endpunkt einer Bewegung in sich einschließt.

Die Evolution der Medialen Subsysteme zeigt deutlich, dass die Trennung vom Körper des Subjekts (Lebewesen) auf externalisierte mediale Subsysteme eine Vielzahl von Folgen zeitigte:


a) Makroskopische physikalische Prozesse gewinnen die Oberhand (Mechanik, Ballistik, mechanische Intrusionstechnik, elektromagnetische Techniken)

b) Wo später Chemie hinzutritt, z.B bei der Feuerwaffe oder der Verbrennung von fossilen Brennstoffe, sind makroskopische thermodynamische Prozesse im Spiel.

c) Es treten zwei neue Formen digitaler Medien auf den Plan: Schrift bzw. Grafik - Licht - Retina und digitales Engramm - Prozessor - Interface. Im letzteren Fall kann das Interface wieder mit einem anderen Computerinterface interagieren oder es kommt zum Kontakt mit Rezeptoren wie Retina, Hörsystem oder taktilen und eingebend zumeist dem Effektor Hand.

d) Die Eins-zu-Eins-Beziehungen in stark kontextualisierten Systemen werden zu Gunsten von One-to-many- oder Many-to-many-Beziehungen aufgelöst. Auf (externe) Objekte kann entweder sequentiell,  z.B. Werkzeug, Hotelbett oder simultan, z.B. Internet-Client in Bezug auf den Server zugegriffen werden. Bei Implataten gibt es wieder die Eins-zu-Eins-Beziehung. Sie haben ihren Objekt-Charakter sekundär eingebüßt. Objekte bewegen sich also "freier" in Raum und Zeit, da man an sie andocken und sich dann wieder von ihnen lösen kann.

d) Werkstoffentwicklung ist die Voraussetzung für Medien, die weiter zeitlich und räumlich dekontextualisieren können. Beispiele hierfür sind: Stein-und Holzbearbeitung, Metallurgie, Halbleitertechnik

e) Bevor die zwei neuen digitale Medien auftauchten, gab es immer zuvor analoge Vorstufen (Sprache | Fernschreiber, Telefon, Grammofon, Radio, Fernseher)

d) Beim digitalen Engramm geht die Entwicklung wieder in Richtung mikroskopischer Strukturen, da hier Packungsdichte von Information eine entscheidende Rolle spielt.

e) Auch die Chemie und Mechanik entwickelt sich in Richtung mikroskopische Intrusion in lebende Systeme (phamakologische Medizin und Nanotechnologie)

Die mediale Beziehung endet, wo sie in die Nähebeziehung mündet.

Zum Schluss ein einfaches Beispiel, eines Wechsels im medialen Systems, dem Zuwachs an Komplexität und dem Zuwachs an Möglichkeiten.

http://www.youtube.com/watch?v=gzPc5HeN_KU

Im September 2013 hat der japanische Konzern Sony eine Kamera auf den Markt gebracht, die über kein eigenes Display mehr verfügt und die mittels eines auf einem Smartphone/Tablet installierten Programms und der medialen Schnittstelle Wifi an die Kamera angebunden wurde.  Durch Wifi angebunde Kameras gibt es schon seit einiger Zeit. Neu ist hingegen, dass diese Kamera ohne Smartphone oder Tablet nicht mehr sinnvoll bedient werden kann. Der Zuwachs an Komplexität findet im Bereich kameraseitige mediale Schnittstelle, smartphoneseitige Schnittstelle und den dahinterliegenden Protokollen statt. Wifi ist weitaus komplexer als das Protokoll eines eindimensionalen festverdrahteten Netzwerks, da im dreidimensionalen Raum offenen Raum weitaus mehr Parameter auf die Verbindung einwirken.

Dafür wird aber auch die Kamera räumlich vom menschlichen Interface-Systemteil abgekoppelt. Dieses wird austauschbar, kann groß und klein, kann mit verschiedenen Betriebssystemen betrieben, kann weiterentwickelt und mit anderen Schnittstellen, z.B. zu sozialen Netzwerken verbunden werden, kann ein Smartphone oder ein Notebook sein. Der begrenzende Faktor ist einzig und allein die Reichweite der Wifi-Verbindung. Der Ort des Fotografierens und der Ort der Bildbetrachtung und der Auslösung sind voneinander, man möchte sagen unwiderruflich, getrennt. Die Kamera kann sich draußen in der Kälte befinden, während der Fotograf im warmen Auto sitzt und sie kann unabhängig vom Display bewegt werden.


 



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