Dekontextualisierung
The constant in change
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Rekontextualisierung

Ich möchte auf dieser Seite noch einmal etwas ausführlicher auf das Phänomen der Rekontextualisierung eingehen und es mit kontextnahen (noch nicht dekontextualisierten) Systemen in Beziehung setzen.

Wenn sich Lebewesen oder technische Produkte evolutiv weiterentwickeln, kommt es zu Dekontextualisierungen. Die räumlichen und zeitlichen Distanzen wachsen an. Grundsätzlich tritt bei jeder Dekontextualisierung aber ein Problem auf. Die Vorteile von Nahwirkungen gehen verloren.

Listen wir einmal typische Nahwirkungen auf, deren Eigenschaften Fernwirkungen nicht oder nur in abgeschwächter Form haben:

  • Sexualität: Beim Zusammenkommen der Erbinformation muss es immer eine Nähebeziehung geben, da es sich ja um einen materiegebundenen Vorgang handelt. Aber auch bei der Übertragung von Spermien wird bei vielen Tiergruppen eine Nähebeziehung hergestellt. Oft mithilfe eines besonderen Organs (Penis). Fernbeziehungen haben ja in der Sexualität den Nachteil, das Spermien oder Pollen, manchmal auch Eizellen in riesigen Mengen produziert werden müssen, damit es überhaupt zu einem Zusammentreffen von beiden kommt. Leicht zeitlich und räumlich dekontextualisierte Formen von Spermienübertragung kommen z.B. bei manchen Schwanzlurchen oder Silberfischchen vor, die indirekte  Spermienübertragung mit Spermatophoren betreiben. Blütenpflanzen setzen zur Übertragung von Pollen oft Vermittler (Insekten, Vögel, Fledermäuse) ein.

  • Übertragung von Wärme beim Brüten. Dies erfordert Nähe von Henne und Ei, da Wärmeübertragung bei Vergrößerung der Distanz schlechter wird

  • Übertragung von Nährsubstanzen (Milch, Kropfmilch, Futterbrei) funktioniert besser, wenn das Elterntier nahe ist. Bei Brutfürsorge durch Anlegen von Depots (Solitärbienen) ist es von Vorteil, wenn das Ei nahe am Futter platziert wird. (Der dekontextualisierte Teil besteht bei dieser Art der Verproviantierung darin, dass das Muttertier weder räumlich noch zeitlich nah sein muss, wenn die Larve schlüpft und sich zum fertigen Insekt entwickelt) Bei eusozialen Insekten wird die Verproviantiantierung zugunsten einer permanenten direkten Versorgung mit höherem Rekontextualisierungsgrad wieder aufgegeben.
    Grundsätzlich müssen stärker dekontextualisierte Elterntiere oder Arbeiter(innen) (groß, schnell, evtll. flugfähig, über Lernerfahrung verfügend) ihren weniger dekontextualisierten Kindern entgegenkommen.
  • Chemische Reaktionen können nur in Nähebeziehungen funktionieren. Jede Vergrößerung der Distanz führt zum Erlöschen der Reaktion. Einziger Ausweg sind Kettenreaktionen (Nervenleitung, Explosion) bei denen größere Distanzen überwunden werden können.
  • Manche elektromagnetischen Wirkungen (z.B  Transformation von Wechselstrom) erfordern Nähe bei aufeinander induktiv wirkenden Stromleitungen
  • Elektronische Bauteile werden (auch aus herstellungstechnischen Gründen) in miniaturisierten Strukturen zusammengefasst. Die Wechselwirkungen im Bereich des Chip-Moduls können sehr schnell ablaufen.
  • Readymades:
    Noch einmal zur Erinnerung: Ein Readymade ist eine komplexe Struktur, die ursprünglich in einem  geordneten Akt hergestellt und zeitnah zur Wirkung gebracht wurde, die aber dann in einer verpackten Struktur zusammengefasst und konserviert wurde. (Beispiele: Fertiggerichte, Spachtelmasse, Gewehrpatronen). Diese Definition des Readymade weicht von der künstlerischen Definiton ab. Readymades können ihre Wirkung dadurch schneller entfalten, dass ursprünglich getrennte und langandauernde Herstellungsprozesse in einen vorbereitenden (präparierenden) Bereich vorverlagert wurden und die Wirkeinheiten nur auf ihre Auslösung 'warten',  z.B. durch Hinzugabe von Wasser oder durch mechanische Einwirkung einer Zündnadel auf das Zündhütchen einer Patrone.

Setzt man die Eigenschaften der Dekontextualisierung dazu in Beziehung:

 

  • Lange Wegstrecken und raum-zeitliche Nichtkoinzidenz können überwunden werden. Dadurch werden ferne Ressourcen verfügbar oder nahe Feinde 'entfernbar'. Die Wirkungen sind notwendigerweise immer etwas verzögert.

  • Es tritt eine relative Unabhängigkeit zur Umwelt ein. Deren Negativ-Wirkungen werden verzögert 'weitergeleitet' oder durch Vorwegnahme umschifft mithilfe von Depots, Isolation, Mobilität, Informationsspeicherung, Lernen, Intelligenz etc.

  • Elektrochemische, elektrische, elektromagnetische, optische, akustische und mechanische Modi treten an die Stelle von chemischen.


Ich entwickle hier eine Hypothese: Bei Rekontextualisierung werden die jeweiligen Nachteile von naher und ferner Beziehung durch Neu-Arrangierung reduziert und die jeweiligen Vorteile vergrößert.


 


 

 


 

 

 

 

 

 






 

 

 

 

 

 

 


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